Wenn es einen aus irgendeinem zweifelhaften Grund in die nordhessische Provinz verschlägt, oder man die Bürde mit sich herumträgt, dort aufwachsen zu müssen, man noch dazu nah am Gerstenwasser gebaut ist, dann kommt man früher oder später ganz gewiss in Kontakt mit den Bieren der Hütt-Brauerei aus dem schönen Gemeindekonglomerat Baunatal. Hütt braut dort seit 1752 auf der Knallhütte, einer Brauerei mit Gasthaus und Biergarten. Seit neun Generationen in Familienbesitz und ehedem die erste Station der Postkutsche von Kassel nach Frankfurt. (Heute wenig pittoresk direkt an der A49 gelegen, kurz vorm Kreuz Kassel-West.)
Hier stärkten sich dazumal also die Postkutscher und durchreisenden Kaufleute, standen dampfend die Pferde an der Tränke und harnten mit schäumendem Strahl. Die Tochter des Hauses, Dorothea Viehmann, schnappte indes in der Gaststube etliche Sagen und Märchen von ihren hugenottischen Vorfahren, einheimischen Dörflern und Reisenden auf. Ein halbes Jahrhundert später rezitierte sie dann wortgetreu vor den Gebrüdern Grimm. Dutzende biergeschwängerte Geschichten aus der Knallhütte landeten so nachweislich im zweiten Band der Grimmschen Kinder- und Hausmärchen. Aber kulturhistorischer Ballast ficht den nordhessischen Biertrinker heute nicht mehr an. Denn Hütt versorgt die Zapfhähne und Getränkemärkte der Region aktuell mit einer anständigen, stetig wachsenden und durchweg trinkbaren Biervielfalt. Diverse Pilsener und Weizen, Helles, Naturtrübes, Schwarzbier und auch saisonale Sude finden ihren Weg in die durstigen Kehlen zwischen Korbach und Eschwege. Nicht zu vergessen Brauer Schorsch’s süffiger Haustrunk, den wir mehr als alles andere schätzen. In Brauer Schorsch’s 350 Jahre alter Brauerei, im nahen Malsfeld, befindet sich heute ein Brauereimuseum und Hütts Brauwerkstatt. Hier wird in kleiner Auflage die Hütt Craft Edition gebraut: Das Äquator-Bier, eine Art IPA, ebenso ein hopfengestopftes Lager mit dem irreführenden Namen Lenchen’s Ale – eine „untergärige Interpretation eines naturbelassenen Ales“ (wtf?!) und ein sogenannter Weizenbock 1838. Bestückt werden diese jeweils mit einem etwas fadenscheinig daher kommenden Histörchen. Natürlich auch mit regionalem oder familiären Bezug und dem Verweis auf Tradition, Handwerk, Genuss und so weiter. Der ganze Auftritt ist ein etwas seltsam verrenkter Spagat zwischen regional verwurzelter Brautradition und einer Anbiederung an dieses neumodische Craftbeer, von dem jetzt alle so reden. Diesen Umstand wollen wir aber gerne bei Seite lassen. Denn Biere sprechen immer für sich. Sofern sie uns etwas zu sagen haben. Der Rest ist Schweigen. Aber dieser nämliche Weizenbock spricht zu uns:
Vom Affenkönig und der Pfirsichprinzessin (wie berichtet von der Viehmännin aus Zwehrn)
Es war ein Mal ein mächtiger Affenkönig, der lebte in einem fernen Wald. Er war stets wohlgemut, denn sein Königreich war warm und reich an Getreide und es floss Honig in Strömen und es wuchsen Feigen, Gewürze und Bananen soweit das Auge reichte. Der König daselbst war stolz, von wuchtiger Gestalt und auch munterem Gemüt. An seiner Seite lebte eine Prinzessin, die war so schön, dass ein jeder sie unentwegt bestaunen wollte. Ihr Haar strahlte so golden wie die Sonne und ihre Haut war so zart und rein, wie die paradiesischste Frucht nur sein konnte. Deshalb ward sie von allen auch die Pfirsichprinzessin genannt.
Eines Tages kam ein Handwerksbursche aus dem fernen Neapel daher. Er sprach zum König: „Gebt mir die Prinzessin zur Frau, denn das Beste soll mir gerade recht sein.“ Da wurde der Affenkönig zornig und brüllte und schleuderte Fässer und Feuer gegen den Burschen. Dieser rannte und sprang und duckte sich und zerschlug ein ums andre Fass. Das ging so fort tagein tagaus, ohne dass sich ein Ende zeitigen wollte. Da sprach der Affenkönig: „Lass ab! Dies lohnt uns nichts und macht nur allen rechte Mühe. Du warst im Kampf ein tüchtiger Geselle mir. Mit dir lässt sich’s gewiss auch trefflich saufen. Braue mir sodann einen Trunk, an dem woll’n wir uns laben. Aber er soll meiner Herrlichkeit zur Ehre gereichen und der Schönheit der Prinzessin und auch der Pracht des ganzen weiten Königreichs! Gelingt dir’s wohl, so soll die schöne Prinzessin dir gehörn.“
Da nahm der Bursche Wasser, Gemälztes und Dolden von dem Hopfen, tat’s in einen Kessel und machte es auf dem Feuer heiß. Dem König war dies nicht geheuer. Er sprach: „Du Strolch, willst du mich verhöhnen? Diese Jauche aus Körnern und Blattzeug soll denn unsrer würdig sein?“ „Wart’s nur ein Weilchen ab, Herr König.“ sprach da der Bursche und tat listig ein paar winzig kleine Zauberpilze noch dazu. Ganz ähnlich wie jene, die die Flamen für ihren Fasstrunk nehmen. Die Zauberpilze taten ihren Dienst und nach ein paar Tagen kam der herrlichste Trunk dabei heraus.
Der leuchtete so golden wie das Haar der Prinzessin und duftete so zart und war so samtig fein wie ihre Haut. Und kräftig war er, wie der König selbst, robust und ungestüm. Und Honig und Feigen und Nelkengewürze waren darin und Früchte noch und nöcher. Gerade so als ob sämtliche Bananen des ganzen Königreichs einträchtig darin versammelt wärn. Also tranken sie davon und ihnen wurde leicht und fröhlich zu Mute und je mehr sie davon tranken, umso lustiger wurden sie. Dem König war’s nur recht und er gab sogleich die Prinzessin dem Burschen zur Frau. Nun brauten und tranken sie fortan und sie lebten glücklich und zufrieden im Wald des Affenkönigs bis an ihr Ende. Echt jetzt, ohne Scheiß.
[text: mr / foto: mr]