That other beer

Ich habe Angst, diese Flasche anzusetzen und den ersten Schluck zu nehmen. Weil es vielleicht mein erstes und letztes Bier sein wird. Weil sich alles davor und danach nicht mehr gleicht, sich nicht mehr in derselben Kategorie subsumieren lässt. Dieser erste Schluck, der das Herkömmliche so vollständig entkleidet und banalisiert vor Augen führt, so dass ich mir von seiner spindeldürren, ausgewaschenen und abgemagerten Gestalt, nichts mehr erhoffe. Das unheimliche Gefühl, dass ich dabei bin, hier etwas aufs Spiel zu setzen. Schon beim Öffnen der Flasche schlägt mir ein stechend-scharfer Geruch entgegen. Wenn ich tief durch die Nase einatme, zieht sich ein brennender Schmerz bis zur Stirn. Ich versuche, durch den Mund Luft zu bekommen, und kann nur mit Not und Anstrengung ein Husten unterdrücken. Mein Atem wird unruhig und mein Herzrhythmus gerät für einen Moment aus dem Takt. Als wenn zwischen dessen routinisierte Vierviertel triolisch-intervenierend Schläge hämmern. Rasch schiebe ich die Flasche auf dem Tisch von mir weg, eine Armlänge Abstand haltend – Luft holen – der Versuch, wieder klare Gedanken zu fassen. Dieses Bier ist ein Wagnis. Soviel ist klar. Ich habe Angst vor dem ersten Schluck – und gleichzeitig weiß ich, dass daran kein Weg vorbei führt. Das wir zusammenkommen müssen, auch wenn es wehtun wird.

He never knew what I was made of
Heat couldn’t melt me
Cold couldn’t waiver me
He never knew my form or shape
His heart couldn’t melt me
Water couldn’t leave me

Ich nehme allen Mut zusammen und ziehe die Flasche gewaltvoll wieder an mich. Ich blende alle Bedenken aus und versuche, meine Zunge getrennt vom Rest meines Körpers vorzustellen. Getrennt von dem Ort, der Schmerzen kennt und diese zu deuten gelernt hat. Der die Schmerzen scheut. Der Körper, der sich eine Hand trainiert hat, die blitzschnell zurückzieht, wenn sie etwas Gefährlichem zu nahe kommt. Der sich angewöhnt hat, Gefahr weit im Vorfeld zu erspüren und Alarm zu schlagen weiß, wenn diese sich auf ihre unheimlich-unnachahmliche Art nähert.

Ungestüm setze ich die Flasche an. Und schon als die ersten Tropfen meine Lippen und meine Zunge berühren, geht alles um mich herum und in mir lichterloh in Flammen auf. Oberflächen reißen auf, zerbersten – und  meine gereizten, rosigen Blutgefäße, die sich blitzartig aufgepumpt und angespannt haben, ächzen unter dem entstehenden Druck. Fleisch wird aufgeschnitten, zerkratzt und zerrissen. Mit jedem weiteren Schluck nehmen die Schmerzen zu, benebelt und verwirrt es mir die Sinne. Einem Verbrechen gleich, wird sämtlicher Glaube an Glückseligkeit und das Gute getilgt. Um Genuss zu empfinden, fehlt es mir völlig an Entspannung und an Ruhe. Aber dieses Bier will auch nicht genossen werden. Es will dir wehtun und selbst dabei Genuss empfinden. Es will dir zusehen, wie du leidest, wie jeder Tropfen die Besinnungslosigkeit noch ein wenig steigert. Es will nicht getrunken werden, sondern dich aussaugen und paralysiert, entleert, niedergeschlagen, sämtlicher Bedeutungen beraubt zurücklassen. Damit sich auf diese Leere eine neue Wahrheit aufpfropfen lässt.

 

Caught him standing with a stare
He took me all the way in this bed
Operating from another world
I want to be that other girl

Nach einiger Zeit komme ich, alleingelassen und ausgezehrt wieder zu mir. Der Schmerz ist abgeklungen und nur das sanfte, leise Vibrieren auf der Zunge und wenige letzte, unregelmäßige Stiche, die mir wie Zeichen aus einer anderen Zeit vorkommen, schreiben sich mir noch ein – legen sich als warnendes Signum im Gedächtnis ab. Mahnen zur Vorsicht in der Zukunft und davor, solche Experimente doch bitteschön sein zu lassen. Aber sie reizen gleichsam zur Wiederholung an. Wiederholung und Steigerung. Noch einmal kosten und leiden. Noch stärker leiden, damit sich der Schmerz nicht abnutzt, sondern mit all seiner Potenz sein destruktives Werk fortsetzt.

[text & foto: dd / musik: sevdaliza]

 


Foodpairing kann jeder – Wir machen Bier- und Musikpairing

Musik und Bier. Das sind zwei entscheidende Grundsäulen eines jeden Lebens, wenn es auch nur annähernd sinnvoll gelebt werden soll. Warum nicht einmal beides zusammen denken? In loser Folge stellen wir in dieser neuen Reihe vor, welches Bier in unserer gelebten Praxis zu welchem Song oder welchem Album passt. Und was dies für die Menschheit im Allgemeinen und den Fortschritt der Zivilisation bedeutet (oder zumindest mit uns beim Hören und Trinken anstellt). Mehr davon und dazu gibt’s hier: klick!

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