Mit ekelhaft schönem Frühling auf der Zunge

 

Dieses kleine, schiefe Haus zog einen auf seltsame Art und Weise an und das besonders, wenn es am Samstag noch spät hochherging. Die Kneipe war nüchtern eingerichtet und es gab eine sehr steile Treppe, die in den ersten Stock führte. Aber ich traute mich nie, diese Treppe hinaufzugehen, zu groß war die Angst nicht mehr herunterzukommen.

Im Café De Sluyswacht war es immer sehr laut, ich hatte das Gefühl, dass in vielen Kneipen Amsterdams eine gewisse Grundlautstärke der Besucher Pflicht war. Im Café De Sluyswacht fand sich ein buntes Publikum ein. Studenten, die sich zusammen über das Wochenende freuten und es mit viel zu viel Leffe Brune begossen, ältere Herrschaften, die sich beim schlürfen von Delirium Tremens Zeit ließen, Menschen Mitte fünfzig, die zu ihrem Amstel immer ein Glas Jenever orderten, natürlich auch Touristen, die sich hier nur hereinverirrten, weil sich das Café De Sluyswacht direkt gegenüber vom Rembrandthaus befand. Und als Letztes war da noch ich.

Ich saß an der Theke und wann immer sich ein Moment ergab, um mit den Thekenmenschen auf der anderen Seite zu reden, meistens waren es zwei, ergriff ich die Chance und plauderte drauf los. Wenn es dafür nicht die richtige Zeit war, blieb ich still auf meinem Hocker sitzen und trank, am liebsten das IJwit der Brouwerij ’t IJ vom Fass. Es schmeckte hier komischerweise frischer als in den anderen Kneipen, die ich kannte und mochte. Es war fast so, als ob man einen ekelhaft schönen Frühling auf der Zunge hatte und dieser Geschmack wurde durch jedes weitere IJwit immer stärker. Aber höchstwahrscheinlich war das nur Einbildung. Natürlich musste ich mein Fahrrad immer vom Café De Sluyswacht bis zum Camping Zeeburg schieben und das kam mir jedes Mal endlos lang vor.

[text: sm / foto: dd]

 

 

 

 

 

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