Als ich das Café ’t Smalle betrat, wusste ich sofort, dass ich hier viel zu gut aufgehoben war und da gab es auch keine zwei Meinungen. Das Café ’t Smalle war ein Bruin Café und Bruin Cafés waren in Amsterdam etwas sehr Außergewöhnliches. Sie wirkten in der schwer voranschreitenden Veränderung der Stadt hin zu immer Neuem, wie aus der Zeit gefallen. Bruin Cafés waren Orte der Stille, voller Charakter, die von einer Zeit zeugten, die anders als die heutige war, eine Zeit, in der Kanten an Menschen noch willkommen geheißen wurden und zu keinerlei zwischenmenschlichen Problemen führten. Was man in der Kneipe sagte, blieb auch dort. Außerdem gab es in Bruin Cafés keine Musik, die Gäste unterhielten sich in der Regel recht leise, es gab ein paar einfache Speisen, von denen ich am meisten den Erbseneintopf mit Bockwurst mochte und mich wegen Letzterer dem Giganten André Hazes ein Stück näher fühlte. Es gab ordentlich Jenever und eine überschaubare Bierkarte, an der jeglicher Trend vorbeiging. Und so war es auch im Café ’t Smalle. Viel dunkles Holz, das über die Jahre von all den Spuren mehr als nur gezeichnet war, jede Kerbe, jeder Brandfleck erzählte eine Geschichte, Kacheln, die Jahrhunderte alt waren, einfache Tische und Stühle und eine Theke, die bei jeder Belastung durch die Gäste immer irgendeinen wehmütigen Laut von sich gab, als ob sie sagen wollte: „Pass auf, sonst sterbe ich!“
Wer behauptet, dass ich eine viel zu große Schwäche für solche Orte habe, ist ein schrecklicher Lügner. Es ist keine Schwäche, es ist Liebe. Ich liebe solche Orte und zwar von ganzem Herzen, Orte, an denen die Zeit für ein paar Stunden mein Knecht war und ich mir an der Theke einen amtlich ins Geweih schrauben konnte, am besten noch mit einem sehr guten Gesprächspartner hinter der Theke. Thekenpersonal von Format waren für mich schon immer die besseren Seelsorger. Gute, wohlmeinende Wesen, die wussten, warum man da war. Sie verurteilten nie auch nur eines ihrer Schäfchen.
Ich trank im Café ’t Smalle meistens das Affligem Blond und ich mochte es wegen seiner Geradlinigkeit. Es war ein einfaches Blond, nichts Besonderes, aber auch nichts Schlechtes. Als ich es das erste Mal 2003 in den Niederlanden trank, war es wie eine Offenbarung für mich, der den Bier-Einheitsbrei gewohnt war, der damals in Deutschland die Macht hatte. Heutzutage ist das Affligem Blond für die Biergeneration Hopfen-Feuerfrei selbstverständlich nichts von Rang und Namen, man beschäftigt sich nicht damit, weil da keine verrückte Aromahopfenzüchtung eingebraut ist und das Etikett unspektakulär, keinen Blick Wert ist. Das Affligem Blond wäre bei Instagram absolut ungünstig, um damit anzugeben. Ich mag es trotzdem oder gerade deswegen und das Café ’t Smalle noch viel mehr.
[text & foto: sm]